„Schokolade kochen!“ heißt es meist einstimmig wenn wir die Kinder zu Beginn eines Schokoladenateliers fragen, was sie heute erwarten. Neben den Zutaten für die Schokolade haben wir aber noch einiges mehr im Gepäck: Spannende Geschichten, viel neues Wissen, Spiele und eine Menge Materialien. Wir zeigen den Kindern eine neue, für sie unbekannte Welt: Die Welt des Kakaos und des Maya-Gottes „Quetzalcoatl“. Die Schokoladenateliers sind ein Ausflug aus dem Schulalltag hinein in eine interkulturelle Begegnung voller Raum für neue Perspektiven.
Wir verbringen einen Tag gemeinsam mit den Kindern, an dem unser Miteinander und unser Selbstverständnis, dass wir alle Lernende sind, im Vordergrund stehen. Bereits zu Beginn des Workshops wird das deutlich: Damit jedes Kind das Gefühl hat, ein Teil des Workshops zu sein, wird aus „Unbekannt“ „Bekannt“ - erst wenn jeder Anwesende im Raum ein selbst beschriftetes Namensschild trägt, kann’s losgehen. Uns ist wichtig, direkt zu Beginn die Erwartungen der Kinder kennenzulernen, um die Inhalte des Workshops so gut wie möglich an sie anzupassen. Besonders aber möchten wir ihnen das Gefühl geben, dass wir uns gemeinsam auf einer Augenhöhe befinden! Aus dem Grund entwickeln wir gemeinsam mit den Kindern ein Regelwerk - sowohl für die Kinder, als auch für uns. Insgesamt ist uns wichtig, mit der Art und Weise, wie wir den Workshop gestalten und den Kindern gegenübertreten, die Grundlage für eine gute Stimmung und eine angenehme Lernatmosphäre zu gestalten.
Das Herzstück des Schokoladenateliers ist die interkulturelle Begegnung, die wir den Kindern ermöglichen möchten. In vielen Teilen des Workshops nehmen die Kinder eine andere Perspektive ein, als sie es gewohnt sind und sehen die Welt aus einem für sie ganz anderen Blickwinkel: Der Süd-Nord-Perspektive. In einem interaktiven Prozess lernen die Kinder die Legende des Kakaos kennen. Dabei ist natürlich zu jedem Zeitpunkt Raum für Fragen. Generell ist der gesamte Erarbeitungsprozess der Geschichte durch einen aktiven Austausch gekennzeichnet: Während wir die Legende vom Kakao erzählen, binden wir die Kinder mit in den Verlauf der Geschichte ein. Sie werden so zu einem Teil der Erzählung und lassen keine Bewertung für das Unbekannte aufkommen. Auch wenn die Legende aus einem für sie unbekannten Kulturkreis mit einer fremden Sprache mit Namen und Wörtern wie „Quetzalcoatl“ oder „Xocoatl“ stammt, erkennen die Kinder Gemeinsamkeiten: Sie erleben die Geschichte aus den Augen eines Maya-Kindes und können sich mit seinen Gedanken und Gefühlen identifizieren. In diesem Prozess entwickeln die Kinder nicht nur für den Protagonisten der Geschichte, sondern für einen für sie fremden Kulturkreis, Empathie. Dieser Vorgang ist eine Grundvoraussetzung für den Abbau von Stereotypen und Vorurteilen. Im Verlauf des gesamten Workshops stellen wir immer wieder Fragen, die die Kinder Zusammenhänge erkennen lassen. So finden sie heraus, dass das Wort „Schokolade“ von dem Maya-Wort „xocoatl“ stammt und „bitter“ bedeutet. Und ganz nebenbei lernen die Kinder, dass ursprünglich fremd erscheinendes sich gar nicht groß von dem unterscheidet, was einem selbst bekannt ist.
Wir möchten den Kindern ein Andenken an den gemeinsamen Tag und einen Bezug zu der anderen Kultur, die sie in der Geschichte über den Kakao kennengelernt haben, schenken. Dazu basteln wir gemeinsam „Maskaypachas“, ein traditionellen Kopfschmuck. Während des Bastelprozesses entsteht ein kreativer Raum, in dem sich die Kinder auf eine besondere Art mit sich selbst auseinandersetzen - das Stirnteil des Kopfschmuckes soll nämlich mit etwas beschriftet oder bemalt werden, das den Kindern besonders wichtig ist. Ein entscheidender Aspekt des Basteln der Maskaypachas ist auch hier wieder der Abbau von Stereotypen. Für einen Moment werden die Kinder selbst zu Maya-Kindern und beseitigen ganz von selbst die Distanz zum „Fremden“.
Insgesamt sind alle Teile des Workshops möglichst gut aufeinander abgestimmt. So ergibt sich immer ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Aktivitäten. Wir möchten sowohl die Kreativität und das Vorwissen der Kinder aktivieren, als auch durch unseren Input Neues anregen, während gleichzeitig durch Gruppenarbeiten das Gemeinschafts-gefühl der Kinder gestärkt wird. Und ganz besonders wichtig ist uns, wie schon beschrieben, die Empathie der Kinder zu fördern und ihnen eine Perspektive zu ermöglichen, die eine interkulturelle Begegnung entstehen lässt.
Der Aufbau eines Schokoladenateliers ist flexibel: Während wir bisher für gewöhnlich einen Vormittag mit den Kindern verbracht haben, ist auch vorstellbar, den Workshop auf zwei Tage zu erweitern, um so noch tiefer in die Welt der Schokolade eintauchen zu können. Generell ist jeder Workshop immer ein bisschen anders gestaltet und möglichst passend auf die Kinder abgestimmt.
Sophy Wasser