„Stand Speak Rise Up“ fand vergangene Woche in Luxemburg statt und wurde von Ihrer Königlichen Hoheit, der Großherzogin von Luxemburg, und ihrer Stiftung, veranstaltet.
Bei der Konferenz „Stand Speak Rise Up“ hatten Besucher die Möglichkeit, drei Friedensnobelpreisträger persönlich zuzuhören und mit ihm ins Gespräch zu kommen. Niemand hätte ahnen können, dass der Weg von Muhammad Yunus bis zu seinem weltweiten Erfolg einfach aus einem altruistischen Gefühl entstand. Er wollte keinen Ruhm, er wollte seiner Heimat etwas geben und nebenbei das Gefühl haben, dass er wirklich nützlich für die Gesellschaft ist.
Aus diesem Wunsch heraus kündigte er seine Stelle in den USA und flog nach Indien zurück, bereit in seiner Heimat etwas zu tun. Er besuchte die Armensiedlungen und fragte sich, wie er seine Fähigkeiten sinnvoll einsetzen könnte. Dafür wendete er eine ganz natürliche und einfache Methode an, nämlich einfach gut zuhören und in einen vertrauensvollen Dialog kommen. Bei diesen Gesprächen fiel ihm auf, dass die armen Frauen, die kein Geld besaßen, nicht etwa deshalb kein Geld hatten, weil sie es sich nicht verdienen könnten oder wollten. Sondern wegen der basalen und entwürdigenden Ansicht, dass Frauen nicht in der Lage sind, Geld zu verwalten und daher keines besitzen dürfen.
Wenn Frauen nicht die Möglichkeit dazu haben zu arbeiten oder sie nicht über ihr eigenes selbstverdientes Geld bestimmen können, wie können wir dann von gesunden Verhältnissen sprechen? So entstand bei Muhammad Yunus das Gefühl, gegen diese Ungleichheit etwas unternehmen zu müssen. Doch was?
Etwas gegen die grundlegende Vorstellung, dass Frauen kein Geld besitzen dürfen, zu tun, ist alles andere als einfach. Dazu müssten die Frauen von der Gesellschaft erst einmal gesehen werden. Es müsste gesehen werden, dass sie imstande sind, eigenständig ihr Geld zu verwalten und daraus eine Geschäftsidee aufblühen zu lassen. Aber wie, wenn sie nicht einmal das notwendigste Startkapital dazu haben? Und so kam Herr Yunus auf die Idee, Personen und vor allem Frauen, die kaum Geld zur Verfügung haben, einen kleinen Kredit zu geben.
Warum Geld ausleihen an Personen, die schon Geld haben? Er schlug vor, einen neuen Weg einzuschlagen, um dem Bankensystem, welches nur genau das tut, entgegenzuwirken.
Er wollte den Menschen eine Chance geben, die vom Bankensystem ausgeschlossen sind. Niemand vor ihm wagte es, dieses finanzielle Risiko einzugehen und deswegen war der Gedanke für seine Zeit revolutionär. Menschen, die kein Geld hatten, Geld zu geben, um ihnen damit den Zugang zum Handel zu ermöglichen. Mit ein wenig Startkapital kann eine gute Idee produktiv werden und wachsen. Und somit war der ursprüngliche Keim der heutigen Social Start Ups geboren und Indien beschritt als erstes diesen Weg.
Diese Idee brauchte viel Zeit, um sich zu etablieren, aber mittlerweile sind die Banken von Herrn Yunus fast überall präsent. Natürlich wird eine solche Idee von Skeptikern stark kritisiert. Sie fragen: Woher hast du die Sicherheit, dass diese Frau Dir das Geld zurückgeben wird?
Dafür entwickelte er eine grandiose Methode: Er bat die Frauen, ein großes Loch zu schaufeln, um ihre Entschlossenheit zu prüfen.
Viele berührende Geschichten malten ein Lächeln auf sein Gesicht und eine davon teilte er mit uns: Die zweite Generation der Frauen, die sich Geld ausgeliehen hatten, haben nicht nur universitäre Abschlüsse, sondern eine hat es sogar geschafft, Pilotin zu werden. Als er dies hörte, habe sein Herz vor Freude getanzt. Selbst in seinen unmöglichsten Träumen hätte er das nicht für möglich gehalten.
Bereichernd war seine Wahrnehmung, dass wir zwar in einer Welt, die gemacht ist für Egoisten, leben und an dieser Haltung richtet sich auch das Bankensystem aus.
Aber er stelle fest, dass nicht alle Menschen Egoisten sind, sondern dass sie auch altruistisch sein können, so wie er selbst. Für diese Menschen wurde unser System leider nicht entwickelt, aber genau dieses System entwickelte Herr Yunus für sie.
Um diese Idee zu beherzigen, müssen wir unsere Vorstellung vom Mensch sein ändern. Die Wirtschaft sagt uns, dass der Mensch ein „Homo economicus“ sei, aber gegen diese Vorstellung wehrt sich Yunus.
„Und warum ist das so?“, wurde er gefragt. Er antwortete, dass es die Stimme der Vergangenheit sein mag, die laut diese Ansicht vertritt. Aber diese Stimme muss nicht deine sein. Jeder hat es in der Hand, seine Stimme gegen die Stimme der Vergangenheit zu erheben, damit man seine Gegenwart und Zukunft neu errichten kann.
Fernando Andia
Photos: Chris Karaba
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