Toupis im peruanischen Amazonas

Interkulturelle Begegnung mit der Ashaninkas

Voller Vorfreude darüber, was ihr Großvater ihr wohl heute über die Geheimnisse des Waldes am Amazonas erzählen wird, springt Shina an der Seite ihres Opas über Wurzeln und Gräser. Als sie an einen Fluss gelangen, bleiben sie stehen. Da entdeckt Shina einen ganz besonders schimmernden, schwarz gestreiften Fisch. Gespannt fragt sie: „Opa, was ist das denn für ein lustiger Fisch?

Der ist ja ganz gestreift und hat so große Flossen?“ Sie hat Glück, dass sich ihr Großvater damit auskennt.Im Regenwald kennt er jeden Baum, jedes Tier und jede Pflanze.  „Das ist der Tiger Fisch. Vor sehr langer Zeit war dieser Fisch mal ein Vogel und flog durch die Lüfte. Doch dann kam eine Zeit voller Stürme und da er grösser und schwerer war als andere Vögel, konnte er sich nicht mehr in der Luft halten. Der Fluss war nun der einzige Ort, der ihm Nahrung gab. Wie ihm ging es vielen anderen seiner Art. Einige konnten sich nie an den neuen Lebensraum anpassen. Denn ursprünglich gehörten sie da nicht hin; sie waren mit Flügeln geboren worden und nun mussten sie schwimmen lernen. Die Wenigen, die überlebten entwickelten mit der Zeit Flossen und machten sich das Wasser zu ihrem neuen Zuhause.“

Der Stamm der Ashaninkas im peruanischen Regenwald hat in den 80er Jahren alles verloren. Die Ashaninka- Siedlung aus Holzhäusern wurde von Terroristen niedergebrannt und die Menschen mussten ihre Felder und ihren Lebensraum verlassen, der ihnen alles bot, was sie zum täglichen Leben brauchten. Ein halbes Jahr irrten sie im Regenwald umher, glaubten, sich vor weiteren Angriffen, versteckten zu müssen; traumatisiert und zu Nomaden geworden. Aus ihrem Lebensraum gerissen wie der Tiger Shovelnose Fisch.

Nun, Jahre später kehren die Ashaninkas zu ihrem früheren Wohnort zurück, besiedeln ein nahegelegenes Stück Land und auf ihren ehemaligen Feldern bauen sie Kakao, Kaffee, Bananen und andere Früchte an, die sie in der nächsten Stadt verkaufen. In die Stadt fahren mussten sie vor dem Angriff der Terroristen nicht. 

Vielmehr lebten sie mit sich selbst, in der bestehenden Gemeinschaft, im Einklang mit der Natur. Sie gaben der Natur zurück, was sie von ihr bekamen und zeigten ihr ihren Respekt. Die Kinder kannten schon in frühen Jahren die Namen aller Pflanzen und Tiere und lernten all die Traditionen, die im Regenwald gelebt werden.

So einfach können sie ihr altes Leben nach ihrer Rückkehr allerdings nicht wieder aufnehmen. Ausländische Konzerne beginnen, sich für die Länder, auf denen die Nativos leben, zu interessieren. Und da die Ashaninkas diese niemals offiziell als ihren Wohnort vermerkt haben, werden sie ohne Weiteres aufgekauft. Um das zu verhindern, müssen sich die Ashaninkas mit Bürokratie beschäftigen. Wenn sie ihre Grundstücke nicht legalisieren, ist ihnen das Land, auf dem sie einst in Frieden lebten, nicht mehr sicher.

Um fähig zu sein, über ihre Produkte zu verhandeln, müssen sie sich gemäß der Standards der modernen Welt bilden. Wenn ihre Bildung vorher aus Lebensweisheiten, Traditionen, natürlichen Heilmethoden, Pflanzen- und Tierkunde und Anbaumethoden bestand, müssen sie nun Zahlen und Verben lernen, und zudem eine Sprache sprechen, mit der sie sich mit ihren Landsleuten verständigen können. Bisher sprechen die meisten lediglich die Stammessprache; ohne ausreichende Spanischkenntnisse bleibt ihnen allerdings jede Bürokratie verwehrt. Ihre aktuelle Lebenssituation setzt andere Fertigkeiten voraus als ihre vorherige Lebensweise. Ganz klar, dass sie das ein Stück weit von der Natur und ihren Traditionen entfernt.

Mit dieser Erkenntnis beginnen die Ashaninkas, eine Schule zu bauen. Nun ist sie fast fertig. Es ist ein Raum vergleichbar mit der Größe eines deutschen Wohnzimmers, in dem 30 Kinder jeden Tag lernen sollen. Noch gehen nicht alle Kinder hin, denn der Stamm zählt insgesamt über 200 Kinder.

Als ihre Schule von der peruanischen Regierung anerkannt wird, wird ihnen eine Lehrerin des Staates geschickt, die den Kindern Lesen, Schreiben, Rechnen und Spanisch beibringen soll. Klar, dass bei einer Lehrerin, 30 Kindern unterschiedlichen Alters und Fortschrittes und solch beschränkter Räumlichkeiten, nur langsam Fortschritte gemacht werden können. 

Dass sie nur langsam lernen können, vermittelt den Kindern, sie wären nicht schlau genug;  unfähig, Neues zu lernen. Und natürlich hat auch der Terrorismus seine Spuren auf den Kindern hinterlassen. Inwiefern kognitive Fähigkeiten und das Selbstbewusstsein der Kinder durch das Trauma des Terrorismus beeinflusst sind, bleibt noch zu erforschen. Doch eins ist klar: der Terrorismus hat mit all seiner Gewalt Spuren auf den Kindern hinterlassen. Das stellen wir fest, als wir mit der Toupi-Group in den Stamm kommen.

Die Toupi Group ist eine deutsch-peruanische Organisation, die es sich im Rahmen einer handlungsorientierten Lernpädagogik zum Ziel gemacht hat, Kindern in Workshops ihre Rechte spielerisch zu vermitteln. Begründet wurde sie von Fernando Andia, einem in Trier lebenden Studenten mit peruanischen Wurzeln.  Mit der Vision, „Kinder spielerisch neue Horizonte erkennen zu lassen und ihnen so neue Perspektiven in Denken, Handeln und Weltanschauung zu öffnen“, rief er die Kinderrechts-Gruppe 2015 ins Leben. 

Ziel ist es, dass sich die Kinder in den Workshops ihrer Rechte bewusst werden. Sie sollen erkennen, was es heißt, sich gegen Missbrauch und Gewalt abzugrenzen und selbstbestimmt zu leben.

Ein weiteres Ziel wird auch sein, dass der Stamm seine Identität auch nicht  im Vergleich mit den Stadtbewohnern verliert und erkennt, dass seine ursprüngliche Lebensweise im Einklang mit der Natur sehr wertvoll ist und er diese nicht hinter sich lassen muss, nur weil andere anders leben als er.

Denn durch den Vergleich mit den modern lebenden Menschen entwickeln die Ashaninkas Minderwertigkeitsgefühle. In der Stadt sind Autos, Handys, Fernseher, Strom und ein Wasseranschluss am Haus keine Seltenheit. All das lernen die Ashaninkas kennen und dort beginnt der Vergleich. Wo gibt es Armut ohne den Vergleich mit dem Reichtum?    

Ziel ist es, dass sich die Kinder in den Workshops ihrer Rechte bewusst werden. Sie sollen erkennen, was es heißt, sich gegen Missbrauch und Gewalt abzugrenzen und selbstbestimmt zu leben.

Ein weiteres Ziel wird auch sein, dass der Stamm seine Identität auch nicht  im Vergleich mit den Stadtbewohnern verliert und erkennt, dass seine ursprüngliche Lebensweise im Einklang mit der Natur sehr wertvoll ist und er diese nicht hinter sich lassen muss, nur weil andere anders leben als er.

Denn durch den Vergleich mit den modern lebenden Menschen entwickeln die Ashaninkas Minderwertigkeitsgefühle. In der Stadt sind Autos, Handys, Fernseher, Strom und ein Wasseranschluss am Haus keine Seltenheit. All das lernen die Ashaninkas kennen und dort beginnt der Vergleich.   

Wo gibt es Armut ohne den Vergleich mit dem Reichtum?  Und so geht es nun auch den Ashaninkas. Sie sehen, was die anderen haben; sehen, wie viel komfortabler diese Dinge ihrer Meinung nach das Leben machen; sehen, dass sie eben diese Dinge nicht haben. So fühlen sie sich minderwertig. Die „reichen“ Menschen werden für sie zum Maß und zum Ziel.Vielmehr sollen sie verinnerlichen, dass alle Konsumgüter der modernen Gesellschaft endlich sind und sie vielmehr die Ressourcen zu schätzen lernen können, die ihnen die Natur bereits gibt. Denn soll ihnen der Konsum ein besseres und glücklicheres Leben versprechen nur weil er auf den ersten Blick komfortabel erscheint? Soll der Konsum sie zufriedener machen als das Leben in der Gemeinschaft des eigenen Stammes, in der alle gemeinsam auf ein besseres Leben hinarbeiten?

Die Toupis wollen einen Teil dazu beitragen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, in welcher der Ashaninka Stamm der modernen Bürokratie mehr und mehr zu verfallen scheint. Denn wer genauer hinschaut, erkennt, dass die Ashaninkas sich dieser anderen Art von Bildung nicht aus freiwilligen Stücken geöffnet haben, sondern aus der bloßen Notwendigkeit heraus, nachdem ihnen die Terroristen nicht nur Hab und Gut, sondern auch Identität und Stammesbewusstsein nahmen. Und wo neues Selbstbewusstsein aufbauen, die eigene Identität stärken und Vertrauen in die eignen Werte aufbauen, wenn nicht bei den Kindern?

Genau diesen widmet sich die Arbeit der Toupi-Group: den Kindern. Der Zukunft der Ashaninkas.

von Laura Biehler

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